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Posts Tagged ‘Buddha’

Die Menschheitsgeschichte begann mit einem Akt des Ungehorsams, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie mit einem Akt des Gehorsams ihr Ende finden wird.“ Erich Fromm

Stell dir vor, du würdest alles vergessen, was du je an religiösen Prägungen, an esoterischen Konzepten und spirituellen Unterweisungen gehört oder gelesen hast. Was wäre dann übrig? Gibt es überhaupt irgendeine mystische Erfahrung oder eine tiefe Seins-Erkenntnis, die aus dir selbst heraus kommt, oder gäbe es dann gar nichts mehr? Das Charakteristische am „Glauben“ ist ja, dass wir die Geschichten, die uns erzählt werden, glauben können oder eben auch nicht. Was glauben wir nur, und was entspringt unserer eigenen tiefen inneren Weisheit, einer Religiosität, die tief in unserer Essenz wurzelt?

Würde dein Gott existieren, wenn dir nie jemand die Geschichte von dem guten (oder auch strafenden) alten Mann erzählt hätte, wenn es keine Kirche und keinen Religionsunterricht gäbe? Würdest du dir einen Kopf um „Portaltage“, um das Geheimwissen von Atlantis und heilende Engelessenzen machen, wenn dir nicht irgendjemand diesen Floh ins Ohr gesetzt hätte? Hättest du eine Vorstellung von Sünde oder Karma, von Reinkarnation oder „Seelenverträgen“, wenn du diesen Konzepten nicht durch Sozialisation, Bücher oder Seminare begegnet wärst?

Wir sind dermaßen geprägt von der Kultur, in der wir aufwachsen, und später dann von dem spirituellen Umfeld, das wir selbst wählen, dass wir gar nicht merken, wie viele Konzepte, Dogmen und Weltbilder wir ungeprüft und unkritisch übernehmen.

Der Mensch ist ein Herdentier. Und so suchen wir auch auf unserem spirituellen Weg nach einer Herde, der wir uns anschließen können. Nichts ist für den Menschen schlimmer, als von einer Gemeinschaft ausgeschlossen und alleine zu sein. Vor langer, langer Zeit waren wir nur im Sozialverbund überlebensfähig, und so ist das uralte Programm der Unterordnung und des Mitlaufens mit der Masse tief in unseren Instinkten verankert. Die medizinische Wissenschaft sagt, dass der größte bekannte Stressor und die wichtigste psychische Ursache für Krankheit das Gefühl des Ausgeschlossenseins bzw. der Nicht-Zugehörigkeit darstellt. Wer schon einmal Mobbing im Arbeitsumfeld erlebt hat, in der Klasse oder von der Freundesclique ausgeschlossen, oder von der Familie geächtet wurde, der weiß, wie schlimm das Gefühl des erzwungenen Alleinseins sein kann.

In Glaubensfragen ist es offensichtlich nicht anders. Wir fühlen uns wohl und sicher, wenn wir Menschen um uns haben, die an dasselbe glauben wie wir, die dasselbe Weltbild teilen, dieselben Ansichten, Werte und Verhaltensregeln propagieren und uns damit indirekt suggerieren: „Du machst alles richtig, du gehörst zu uns, wir sind überlegen, wir sind im Besitz der Wahrheit!“ Wir identifizieren uns mit unserer Glaubensgruppe oder einer esoterischen Bewegung und grenzen uns gleichzeitig gegenüber „den anderen“ ab. Und dabei vergessen wir, wie es scheint, allzu oft jegliche Urteilsfähigkeit und kritische Distanz, die eine reife, selbstbewusste Persönlichkeit ausmacht. Wir glauben ohne zu hinterfragen die zum Teil absurdesten Dinge, plappern das Gehörte und Gelesene undifferenziert nach, pflegen seltsame und oft sinnentleerte Rituale, oder geben viel Geld für magische Gegenstände und pseudo-religiösen Schnickschnack aus. Wenn man nachfragt, dann erhält man immer die gleichen Antworten: Das haben die Aborigines, die Indianer oder Maya schon vor Tausenden von Jahren erkannt oder so gemacht, das ist das überlieferte Wissen von Atlantis, das steht in der Bibel, das sagte der Papst oder der Guru Sowieso, das habe ich beim letzten Engel-Channeling erfahren oder das hat meine Lieblings Esoterik Autorin so geschrieben und meine Freundinnen glauben das auch alle. Juchhu!!! Es lebe die Spiritualität! Oder?

Was wir dabei vergessen ist, dass Spiritualität gar nichts – aber auch rein gar nichts – mit institutionalisierter Religion, mit festen Konzepten oder esoterischen Praktiken zu tun hat. Um spirituell zu sein, musst du ein Revoluzzer sein, mutig genug, um in altvertraute und gleichzeitig doch gänzlich unbekannte Welten einzutreten. Mutig genug, all die Ideen und Gedankengebäude, die du dir mühsam aufgebaut hast, zum Einsturz zu bringen und in die Erfahrung des NICHTS einzutauchen. Und du musst vor allem bereit sein, aus der Sicherheit und komfortablen Übereinkunft der Herde auszusteigen und dir selbst zu begegnen. Ich denke, wir müssen die Erfahrung des All-ein-Seins machen um in die All-ein-heit einzutreten. Mein „spiritueller Weg“ jedenfalls ist ein recht einsamer Weg – aber es ist genau richtig so. Nie mehr möchte ich mich gefangen nehmen lassen in den Konzepten und Weltanschauungen anderer. Nirgendwo finde ich echte Heimat außer in mir selbst. In mir selbst ist Alles und Nichts. Meine Weggefährten sind die Freidenker, die Mutigen, die Leeren. Die, die das Nichtwissen verehren. Die, die sich vertrauensvoll der eigenen Erfahrung hingeben statt Fremdes nachzuplappern. Die, die keine Antworten haben. Die, die das Leben in seiner Schönheit und Tragik gleichermaßen verehren und alles in ihr Herz nehmen können ohne in Gut und Böse zu unterteilen. Die, die keine Religion und keinen Gott brauchen – weil sie erkannt haben, dass sie Leben sind, das niemals und nirgendwo beginnt und endet. Die, die den Inhalt über die Form stellen.

Früher gab es vereinzelte Mystiker, heute gibt es spirituelle Lehrer wie Sand am Meer, die nicht selten vor sich selbst davon laufen und sich hinter schlau klingenden pseudospirituellen Platitüden verstecken. Ein Mystiker ist ein Mensch, den es so sehr nach Erkenntnis dürstet, dass er alle Bücher, alle wissenschaftlichen Studien und Glaubenskonstrukte loslässt um in die pure Erfahrung des Seins einzutauchen und Erkenntnis in der Begegnung mit sich selbst zu finden. Ein Mystiker ist einer, der sein Herz weit gemacht und den Mund verschlossen hat, weil er angesichts der Größe seiner Erfahrung keine Worte findet um sich mitzuteilen. Und weil es schon gar kein vom Verstand zu begreifendes Konzept, keine Ideologie, „Regelwerk“ oder „Lehre“ gibt. Wenn Worte überflüssig sind, bleibt kein anderes Ventil als Liebe, Poesie, Malerei, Tanz oder Musik – oder die Stille und einfache Hingabe ans Tun. Ein Mystiker ist ein Mensch, der keine Antworten gibt, sondern andere ermutigt, selbst in die Erfahrung einzutreten. Wann verstehen wir das endlich: Es gibt NICHS zu lehren und NICHTS zu lernen. Es gibt keine Antworten. Es gibt das Mysterium des Lebens, das jeder frei, unvorbereitet und unverdorben in sich selbst entdecken darf.

Wenn du bis hierher gelesen hast, dann gehörst du wohl zu den Revoluzzern? Oder du bist genervt von esoterischem Gehabe oder von Jahrtausende alten Konzepten, die dich einengen statt frei zu machen? Vor kurzem hat mir eine nette Blog-Leserin einen 7-seitigen Brief voll mit spirituellen Fragen geschickt. Ich konnte keine einzige beantworten – und habe dennoch in ebenfalls 7 Seiten versucht, ihr Mut zur eigenen Erfahrung zu machen und damit aufzuhören, sich im esoterischen Konkurrenzkampf um „wer sieht mehr, wer nimmt mehr wahr, wer weiß mehr?“ minderwertig zu fühlen.

Wenn du also auch aus diesem Hamsterrad der religiösen Indoktrination aussteigen möchtest und frei werden/sein willst, dann übe dich in spirituellem Ungehorsam. Nimm nicht mehr länger alles hin, was dir an Weisheiten und Theorien aufgetischt wird. Sei kritisch, frag nach! Setz deinen gesunden Menschenverstand ein, prüfe alles in deinem Herzen. Überleg dir, aus welcher Zeit und aus welcher Kultur bestimmte Überlieferungen und Rituale stammen und frage dich, ob das hier und heute für dich tatsächlich stimmig ist. Und wenn nicht, dann trau dich, das alles über den Haufen zu werfen und dein Eigenes daraus zu machen. Trau dich, Gebote und Regeln zu brechen! Entwickle für deine Feiern des Lebens deine eigenen Rituale und halte nicht zwanghaft an Überliefertem fest. Sei die Pippi Langstrumpf unter lauter spirituellen Traditionalisten und esoterischen Besserwissern!

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Der Psychoanalytiker und Philosoph Erich Fromm definierte Ungehorsam als die Bejahung von Vernunft und eigenem Willen. Es gehe nicht darum, gegen etwas zu kämpfen oder gar ungestüm aggressiv zu sein, sondern gerade um eine Haltung, die sich für etwas einsetzt. Wir sollten einfach nur wach sein, die Dinge in unserem Herzen und Verstand prüfen und dann laut ausdrücken, was wir als Wahrheit erkannt haben, statt Dinge nachzureden, die wir von anderen übernommen haben und blind einer Masse zu folgen. Um den common non-sense zu entlarven braucht es aber viel Selbstbewusstsein: „Um ungehorsam zu sein, muss man den Mut haben, allein zu sein, zu irren und zu sündigen. Die Fähigkeit zum Mut hängt aber vom Entwicklungsstadium des Betreffenden ab. Nur wenn ein Mensch sich vom Schoß der Mutter und den Geboten des Vaters befreit hat, nur wenn er sich als Individuum ganz entwickelt und dabei die Fähigkeit erworben hat, selbständig zu denken und zu fühlen, nur dann kann er den Mut aufbringen, zu einer Macht nein zu sagen und ungehorsam zu sein. Ein Mensch kann durch den Akt des Ungehorsams, dadurch dass er einer Macht gegenüber nein sagen lernt, frei werden; aber die Fähigkeit zum Ungehorsam ist nicht nur die Voraussetzung für Freiheit – Freiheit ist auch die Voraussetzung für Ungehorsam. Wenn ich vor der Freiheit Angst habe, kann ich nicht wagen, nein zu sagen, kann ich nicht den Mut aufbringen, ungehorsam zu sein. Tatsächlich sind Freiheit und Fähigkeit zum Ungehorsam nicht voneinander zu trennen. Daher kann auch kein gesellschaftliches, politisches oder religiöses System, das Freiheit proklamiert und Ungehorsam verteufelt, die Wahrheit sprechen.“ (Erich Fromm: „Über den Ungehorsam“)

Ich war einmal auf einem indianischen Powwow, einer Zusammenkunft verschiedener indianischer Stämme, bei der gemeinsame Tänze und Rituale gepflegt werden. Für diesen Zweck wurde zu Beginn von der Zeremonienmeisterin in der Halle ein Kreis errichtet und gesegnet. Ab diesem Zeitpunkt durfte man den Kreis nur noch an einer bestimmten Stelle betreten, aber nicht einfach so durchlaufen – und das bis zum Abschluss des kompletten Wochenend-Events. Am Abend des ersten Veranstaltungstags, nachdem der offizielle Teil vorbei war, spielten ein paar kleine Kinder in der Halle, und dann passierte es: ein Junge, der voll im Spiel und im Lachen und Fangen versunken war, durchquerte den Kreis – was ein empörtes „Aufstöhnen“ der erwachsenen Anwesenden nach sich zog. Der Junge wurde dann ziemlich gemaßregelt, musste sich förmlich entschuldigen und noch einmal außen um den Kreis herum laufen. Ich konnte die Aufregung überhaupt nicht verstehen. Wird hier das Leben gefeiert oder der Tod? Wird das kreative Potenzial im Menschen geehrt oder militärischer Gehorsam? Was ist das für eine Kraft, die man da anbetet, die ein spielendes, lachendes Kind, das seltsame Regeln durchbricht, nicht tolerieren kann? Gibt es einen größeren Ausdruck von purer Liebe und Spiritualität als ein Kind, das in seiner unbändigen Lebensfreude ganz im Hier und Jetzt ist und alles um sich herum vergisst? Das ist das erhabenste Gebet, das ich mir vorstellen kann! Und genau das meine ich mit fragwürdigen Ritualen. Dienen Rituale und Regeln wirklich der Feier des Lebens und dem kreativen Lebensausdruck oder wird hier die Form mehr verehrt als der Inhalt? Ich habe nichts gegen Kraftkreise. Das ist toll und schön, sich in dieser Energie und dem geschützten Rahmen einzuigeln – so lange wie es passt. Aber wer wirklich spirituell ist und das reine Bewusstsein verehrt (frei von Angst), kann ein Durchbrechen dieses Kreises doch nur mit einem amüsierten Lachen quittieren – einem Lachen der Erleichterung sogar, denn jede Grenze ist dazu da, irgendwann durchbrochen zu werden. Es braucht nur den Mutigen, der das tut! Ich habe einmal gelesen, dass die alten Meister im tantrischen Buddhismus gerade die Aufmüpfigsten und Unangepasstesten als Schüler wählten. Wem sonst sollte es gelingen, Grenzen zu durchbrechen und ein neues Bewusstsein in die Welt zu bringen…

In der Kirche erleben wir diese mechanischen Riten und Regeln oft genauso: Kennst du die abwertenden Blicke von der Seite, wenn man sitzen bleibt, wenn alle anderen aufstehen, oder wenn man sich nicht bekreuzigt, während alle anderen das tun? Auch das sind seit ewigen Zeiten ritualisierte Abläufe. Ich verstehe das irgendwo und kann das annehmen als Übereinkunft der Betenden, aber muss es immer so festgefahren sein? Darf es nicht einfach mal anders sein? Und wie kann es sein, dass sich fromme Menschen in liebevoller Verbindung mit dem Göttlichen so aus ihrer Mitte bringen lassen, wenn ein Schaf in der Herde nicht das gleiche macht wie alle anderen? Worum geht es da??? Mehr um die Form als um den Inhalt? Mehr um das Herdentum als um die eigene Freude und das Erwachen?

Ähnlich ist es mit spirituellen Symbolen. Es mutet ein wenig verdächtig an, wenn sich Leute allzu offensichtlich mit derartigem Zeug umgeben und behängen: da kleben alle Wände voll von „Blume des Lebens“ Symbolen, auf jeder Kommode steht ein Kristallschädel, das ganze Regal ist voller Engelessenzen, in jedem Zimmer hängt ein Kreuz, und um den Hals baumeln kiloweise Ketten mit Om-Anhängern und Pentagrammen. Wer so viel Äußerlichkeit braucht, fehlt es dem vielleicht an innerer Anbindung? Auch hier dürfen wir loslassen und pur sein. Und uns trauen, dem Trend des offensiv nach außen getragenen Licht-und-Liebe Konformismus ein Stück weit zu entsagen.

Ich nahm einmal  – wenig geübt – an einer Meditation teil, in der wir angehalten waren, den Lotussitz und die aufrechte Position nicht zu verlassen. Wie nicht anders zu erwarten war, tat mir nach einiger Zeit alles weh. Ich konnte mich auf nichts anderes mehr konzentrieren als auf den Schmerz. Meine Gedanken kreisten nur noch um die Frage, ob ich jetzt brav den Schmerz erdulden sollte auf Kosten meiner Meditation oder ob ich einfach die Regel brechen und mir eine andere bequemere Position suchen dürfte? Nach langem Kämpfen mit mir selbst und Schamgefühlen entschied ich mich für Letzteres. Inhalt vor Form! Auch hier verstehe ich den Zen-Gedanken: der Schmerz bringt uns in Verbindung mit dem gegenwärtigen Moment. Und irgendwann kommt vielleicht der Punkt, an dem man über den Schmerz hinaus geht und den Körper überwindet. Mag sein. Aber für MICH ist es nicht stimmig. Ich will den Weg mit meinem Körper gehen und nicht gegen ihn. Ich will den Körper nicht überwinden sondern ihn mit Bewusstsein durchdringen. Meditation darf schön sein und muss nicht wehtun. Beide Wege sind ok. Aber ich denke, der zweite ist für viele Menschen der heilsamere. Wir sind es eh gewohnt, uns permanent selbst Schmerz zuzufügen. Wir sind es gewohnt, zu gehorchen und uns zu disziplinieren. Macht es da Sinn, auf dem Weg des Erwachens noch mehr Zwang zu erzeugen, oder dürfen wir da nicht vielleicht einfach loslassen und genießen?

Und noch ein letztes aktuelles Reizthema für mich aus dem Bereich der Esoterik: Portaltage. Ich weiß nicht, warum die so in sind und warum ich so viele Freunde habe, die mich auf facebook jedesmal vor diesen Tagen warnen. Aber anscheinend handelt es sich dabei auch um sehr exklusives Wissen, das man auf dem spirituellen Weg offensichtlich nicht ignorieren darf. Soviel ich mitbekommen habe, sind es wohl bestimmte Tage, an denen man von besonders viel Weisheit durchströmt wird, an denen aber das Energiesystem auch extrem herausgefordert wird, so dass man besonders unter Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsproblemen leidet, Probleme in der Partnerschaft gehäuft auftreten oder geschäftliche Verluste usw. So ganz hab ich’s auch noch nicht durchschaut: die einen finden’s ganz toll und sagen mir, dass ich die Chance auf Erleuchtung nicht verpassen darf, die anderen jammern, wie schlecht es ihnen geht. Die Weisheit in mir sagt, dass es keinen Tag gibt, der besser oder schlechter ist als ein anderer. Jeder Moment trägt alles in sich. Der heutige Tag, der jetzige Augenblick ist alles was ich habe – ich kann das Beste aus ihm machen oder ich kann mir von irgendwelchen Leuten einreden lassen, dass er schlecht wird. Die Erleuchtung, die Weisheit und Inspiration ist IMMER da – ich habe es zu jeder Zeit in der Hand, mich damit zu verbinden oder mich abzuschneiden. Das geht – glaub es mir! – 😉 an jedem Tag gleich gut oder schlecht! Wer hat diesen Unsinn mit den Portaltagen bloß in die Welt gesetzt und warum wird das so massenhaft verbreitet? Wem will man da Angst machen oder wen beeindrucken? Was macht das für einen Sinn, Konzepte in die Welt zu setzen, die die Menschen verunsichern und sie von ihrer Eigenverantwortung wegführen? Von der katholischen Kirche haben sich deshalb viele abgewendet, aber in der Esoterik oder alternativen Heilerkreisen werden dieselben Mechanismen in anderem Gewand geduldet und sogar befördert. Der Mensch ist doch leicht zu manipulieren… und er geht immer wieder freiwillig in dieselben Muster zurück, vor denen er geflüchtet ist…

Es geht letzten Endes immer um Freiheit. Willst du frei sein oder willst du ewig von einem Gefängnis ins nächste wandern? Leider ist ein Großteil der Menschheit im Tiefschlaf und sieht die Gitterstäbe gar nicht mehr.

Sei kritisch! Frag nach, provoziere, weck auf! Brich die Grenzen auf! Sei ungehorsam! Übernimm nicht jede Behauptung deiner Lieblings Esoterik-Autorin, deines Meisters oder deiner „spirituellen“ Freundin. Sei mutig, gib Kontra, geh deinen eigenen Weg! Tritt aus der Herde heraus und nimm damit auch deinen Freunden die Angst! Ganz besonders die Angst vor dem All-ein Sein und vor der Freiheit! Führ sie dorthin, wo das wahre Mysterium wartet, entdeckt zu werden: zu sich selbst!

Im Kalama Sutta spricht Buddha folgende Worte:

„Geht (…) nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber (…) selber erkennt: ›Diese Dinge sind heilsam, sind untadelig, werden von Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Segen und Wohl‹, dann (…) möget ihr sie euch zu eigen machen.“

Ein bisschen mehr Mut, Kreativität, Freigeist und eine Portion Ungehorsam täte uns allen ganz gut – auch in spirituellen Dingen!

Lokah samastah sukhino bhavantu – Mögen alle Wesen in allen Welten glücklich und frei sein!

Deine Christine Samira Ruhland

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„Das Herz kennt den Weg“ – ist der Untertitel meines Blogs. Und tatsächlich, unser spirituelles Herz weiß immer, was gut und richtig ist. Es ist der Ort, an dem wir vollkommen verbunden sind mit unserem wahren Selbst und mit Allem-was-ist. Es ist das Zentrum unserer aufrichtigen Liebe, des Mitgefühls, der Freude, Wertschätzung und Dankbarkeit. Ein Leben, das sich aus dem Herzen heraus entfaltet, ist ein Gebet, ein Segen und ein Quell der nie versiegenden Inspiration und Schönheit.

Mein Herzensweg, so fühle ich es immer mehr, ist es, genau diese Freude, Kreativität, Lebendigkeit und Liebe in die Welt zu bringen. Nicht zu heilen, sondern zu ermutigen – nicht zu analysieren, sondern zu befreien – nicht einzulullen, sondern bewusst zu machen – nicht etwas hinzuzugeben, sondern das Falsche weg zu nehmen. Die Menschen zu erinnern an das, was sie in ihrer Essenz sind, und sie unablässig zu ermutigen, ihre einzigartige Farbe und Melodie in die Welt zu bringen. Diese Erde ist – auch wenn es oft nicht den Anschein hat – gut und richtig so wie sie ist, und dennoch haben wir alle die Möglichkeit, sie ein wenig liebevoller, bewusster und heiler zu hinterlassen als wir sie vorgefunden haben. Oder eigentlich ist es nicht DIE Welt, die heiler wird, sondern unsere ureigene Welt, unser Sein und unsere Wirk-lich(t)-keit, die sich verwandelt, je mehr wir unser Herzenslicht verströmen und Liebe leben. Und dazu braucht es nicht mehr, als der Stille des Herzens zu lauschen und der Spur der Freude und Liebe zu folgen. Der Friede in uns entscheidet über den Frieden in der Welt!

In unserem Herzen finden wir die Antworten auf all unsere Fragen, die Lösungen für alle Herausforderungen, und Heilungsimpulse für alle Leiden. Doch Unsicherheit und Zweifel sind oft viel größer als unser Vertrauen in die innere Weisheit. So oft höre ich die Frage: „Wie weiß ich denn, ob es tatsächlich mein Herz ist, das zu mir spricht, und nicht mein Ego oder mein analytischer Verstand?“ Die Frage zeigt nur, wie weit wir uns von unserem Herzen entfernt haben, wie nüchtern wir geworden sind, wie sehr wir uns selbst verleugnet und verraten haben und in was für einer oberflächlichen und oft lieblosen Welt wir uns bewegen. Doch es ist nie zu spät, den Weg in unser Herz zu finden. Mit so vielen Menschen habe ich Herzöffnungsrituale und –meditationen gemacht, und keinem einzigen ist der Zugang je verwehrt geblieben. Wer auch immer du bist, was auch immer du getan hast, was auch immer dir passiert ist, dein Herz heißt dich zu jeder Zeit Willkommen und schenkt dir Trost, Weisheit und Ausrichtung. Es bedarf einzig und allein der Stille, denn die Stimme unseres Herzens ist leise, sanft, subtil.

Wenn du einmal die Stimme deines Herzens vernommen hast, dann wirst du sie niemals mehr verwechseln können. Für mich hat die Botschaft des Herzens ein paar wenige Charakteristika, an denen ich sie unzweifelhaft erkenne:

  1. Die Stimme des Herzens ist immer positiv, klar, bestärkend und liebevoll. Niemals wird ein Funke der Angst, des Zweifels oder der Verurteilung mitschwingen.
  2. Die Botschaft ist einfach. Dein Herz braucht keine spirituellen Konzepte, keinen philosophischen Überbau und keine Wissenschaft. Alles was wahrhaftig und aufrichtig ist, ist einfach. Um das Leben und die Liebe zu verstehen, brauchen wir kein Wissen. Im Gegenteil, je mehr Wissen und Konzepte wir loslassen, umso besser.

Doch das absolut wichtigste Erkennungsmerkmal für mich:

  1. Die Stimme des Herzens ist immer herausfordernd. Das Herz wird uns nicht einlullen, es wird unser Ego – zumindest zeitweise – vom Thron stoßen und uns Demut, Hingabe und Aufrichtigkeit (vor allem uns selbst gegenüber!) lehren. Wenn du es dir bequem machen willst, in deiner Komfortzone bleiben und Recht haben willst, dann solltest du dem Herzen lieber fern bleiben. Wenn du aber mit ihm in Kontakt kommst, dann ist das wie eine transformierende und kraftvolle Begegnung mit einem echten Anam Cara, einem Seelengefährten: Alle Verblendung, Selbstverrat, Urteilen und Projizieren wird dir mit voller Kraft gespiegelt – aber eben auch in tiefer Liebe und Annahme.

Close up hand of statue Buddha.buddhism concept

Das spirituelle Herz ist unser Motor des Erwachens und der Bewusstheit. Da wo wir uns selbst verurteilen, nimmt es uns tröstend und nährend in den Arm, wie eine große Mutter. Wo wir unsicher und im Zweifel sind, trägt es uns und ist uns ein helles Licht. Wo wir unser wahres Wesen verleugnen und in die Irre gehen, ermutigt es uns, zu uns selbst zu stehen. Wo wir aus der Liebe und Einheit herausfallen, rückt es unsere Sicht wieder zurecht.

Noch NIE habe ich von meinem Herzen keine Antwort bekommen. Aber ich habe oft unbequeme Antworten bekommen. Antworten und Wege, die ich oft genug nicht befolgen konnte. Die Angst, die Bequemlichkeit oder der Stolz waren zu groß. Aber das Herz nimmt uns das nicht übel. Die große Weisheit in uns ist sich zu jeder Zeit gewiss: Wenn wir diese Chance nicht nutzen, wird es eine neue geben. Die Lektionen wiederholen sich in unterschiedlichem Gewand – bis wir sie lernen. Das Leben hat Zeit. Es eilt nicht. Unser Herz ebnet uns allen den Weg nach Hause. Wie lange das dauert, ist vollkommen egal.

Der Weg ist das Ziel – und das im wörtlichsten Sinne. Wir sind bereits zu Hause. Auf dem Weg zu sein ist eine Illusion des Ego. Es geht einzig und allein darum, wie entschlossen wir sind, diese Illusion los zu lassen – und damit alles, was wir glauben zu sein, zu haben, zu wissen oder erreichen zu müssen. Ist das nicht wunderbar: Du erlebst dich als das Ego, das kämpft, das von der übrigen Schöpfung getrennt ist, das in der Dualität lebt, das sich in den Grenzen von Zeit und Raum bewegt – und gleichzeitig BIST du das ewig Seiende, die unendliche Weisheit, ein allumfassendes Wesen ohne Grenzen. Reines Bewusstsein. Dein Herz kann dir eine Ahnung davon vermitteln, wann immer du dich mit ihm verbindest!

Ich möchte dir gern zwei Möglichkeiten aufzeigen, mit der Weisheit deines Herzens in Kontakt zu kommen:

  1. Wann immer du dich verstrickt hast, mit dem Rücken zur Wand stehst oder kein Licht im Dunkel mehr siehst, frage dich:

    Was würde die Liebe tun?

    Geh in die Stille und lass die Antwort aus deinem Herzen aufsteigen. Ich kann dir versprechen, sie wird herausfordernd sein! Und dann werde zum mutigen Krieger des Lichts und lebe deine Herzensweisheit. Und wenn du es nicht kannst, dann bitte dein Herz um Trost und Heilung. Wie gesagt, das Leben hat Zeit. Dein Herz wird dich niemals verurteilen. Also solltest du das auch nicht tun. Erkenne an, dass Menschsein oft hart und schwierig ist. Erkenne an, dass Emotionen eine ungeheure Macht haben, erkenne an, dass du noch nicht in jedem Moment die Entscheidung für die Liebe und für die Weisheit treffen kannst. Überhaupt eine Ahnung zu haben, wie die Dinge in Wirklichkeit sind, macht dich schon so reich und strahlend. Du musst es noch nicht immer umsetzen können. Mitgefühl ist eine der innersten Herzensqualitäten. Mach sie dir auch selbst zum Geschenk!

  1. Durchflute dich so oft wie möglich mit Herzensenergie

    Nimm dir 10 Minuten Zeit und zieh dich in die Stille zurück. Such dir eine bequeme Position, am besten im Sitzen auf einem Stuhl oder im Meditationssitz. Verbinde dich zunächst ganz tief mit deinem Atem und lass alle Gedanken und Sorgen los. Und dann begib dich mit deiner ganzen Aufmerksamkeit in dein Herzzentrum in der Mitte der Brust. Wenn du magst, kannst du eine Hand hier hinlegen, um deinen Fokus besser zu halten. Jetzt stell dir vor, wie du durch dein Herz ein- und ausatmest. Sei ganz eins mit deinem Herzen. Und dann aktiviere eine Herzensenergie: Liebe, Dankbarkeit, Mitgefühl, Freude oder Wertschätzung – wähle das Gefühl, zu dem du im Moment den besten Zugang findest. Und dann lass dich in deinem ganzen Sein von dieser Energie durchdringen. Nimm sie wahr mit jeder Faser, so intensiv wie möglich. Spüre, wie sich dein Herzensraum immer weiter ausdehnt, bis du dieses Herzensgefühl nicht mehr nur spürst, sondern selbst dazu geworden bist. Verweile so lange du willst in dieser Stille und Geborgenheit.

Das elektromagnetische Feld des Herzens ist bis zu 5000 Mal stärker als das des Gehirns. Es sendet in jeder Sekunde unzählige Signale, die die Organ- und Zelltätigkeit im ganzen Körper steuern, und die unser Denken und Fühlen – und auch das unserer Umwelt – beeinflussen. Je mehr du also in deinem Herzen und aus deiner Herzensfreude heraus lebst, umso heiler und freier wirst du, und umso mehr wirst du ein Fels sein für andere!

Mein Herz schenkte mir einmal einen wunderbaren, zutiefst wachen Augenblick, den ich kaum in Worte fassen kann: Ich war in einer innigen Umarmung und Herzensverbindung mit meinem Mann und ganz in diesen Moment eingetaucht. Meine Gedanken standen still, die Zeit stand still, und es war in diesem Moment nur eine einzige Wahrnehmung da: Ich wusste, dass ich lebe, und dies war das einzig Wirkliche, was ich mit absoluter Sicherheit behaupten konnte. Wenngleich diese Erkenntnis banal scheinen mag, empfand ich sie in diesem Moment so radikal und revolutionär, und fühlte mich von Euphorie durchflutet. Ich war Leben – nicht mehr und nicht weniger! Ich wusste, dass es in der absoluten Präsenz keine Krankheit, keinen Tod, kein Leid und keinen Mangel gibt. Dann gibt es nur Leben, das sich Sekunde um Sekunde immer wieder erneuert und sich selbst feiert in seiner Vielfalt und Vollkommenheit. Leben, das immer Leben bleibt, auch wenn sich die Form wandelt, ja sogar, wenn die Form nicht mehr da ist. Es ist gleichzeitig jede Form und keine. Das wirklich seltsame in dieser Situation war, dass es tatsächlich keine sinnliche Wahrnehmung war, die mir versicherte, dass ich lebte, sondern dass mein Körper, mein Geist und meine Seele einfach nur von der ewigen Natur des Seins durchdrungen waren.

Es war die ganze Welt in diesem winzigen Augenblick.

Unser Herz hält so viele Geheimnisse für uns bereit. Wir müssen uns nur trauen, auf Entdeckungsreise zu gehen, um dann mutig ein ums andere Mal unsere innere Wahrheit auszudrücken. Das verlangt viel Größe, denn es bedeutet, unser inneres Kind immer wieder tröstend in den Arm zu nehmen, die eigenen Schmerzen und Verletzungen nach und nach loszulassen, uns, unseren Mitmenschen und dem Leben zu vergeben, unser Licht und unsere Macht anzuerkennen, den Mut zu finden, umzukehren oder die Richtung zu ändern, …. – und dann immer wieder Frieden, Liebe und Einheit zu wählen statt in der Angst, der Trennung und im Rechthaben zu verharren. Das ist, was diese turbulenten Zeiten von uns fordern!

Dir, die/der du diese Zeilen liest, möchte ich für deinen Herzensweg einen lieben Freund an die Seite stellen: den Kolibri. Im Schamanismus gilt dieser winzige, schillernde Vogel als Bote des Herzens, der Liebe und der Lebensfreude. Er hilft dir, dich mit deiner inneren Weisheit zu verbinden und immer wieder die Liebe und die Lebendigkeit zu wählen. Und er heilt dein Herz, wenn du meinst, es sei zerbrochen und verletzt. Lass mich dir eines mit tiefster Überzeugung sagen: in deinem Herzen gibt es einen Raum, der unverletzlich ist, der hell leuchtend, einem Diamanten gleich, niemals zerstört oder auch nur angeknackst werden kann. Das, was du als verletztes oder gar gebrochenes Herz bezeichnest, ist in Wahrheit dein Ego, dessen Mäntelchen der Liebe von selbstkreierten Motten durchlöchert ist: Erwartungen, Narzissmus, Enttäuschungen (die im eigentlichen Wortsinne etwas ganz Wunderbares sind: Ent-täuschungen, also das Ende von (Selbst-)täuschungen!), Ängste, Projektionen, Anhaftung etc. Trauere nicht länger, sondern sei dankbar für all die Erlebnisse, die die derbe Textur deines Egos aufgebrochen haben. Jeder Riss, jedes Loch, jede Wunde ist die Chance, in dein leuchtendes Inneres vorzudringen und deine wahre Essenz zu entdecken.

So lautet denn auch die – meiner Meinung nach – wichtigste Botschaft des Herzens: „Die Dinge sind nicht so, wie sie scheinen…!“

Vielleicht magst du mir schreiben, welche Weisheiten du in deinem Herzen schon gefunden hast, wie eine Verletzung deines „Ego-Herzens“ dir Zutritt zu deinem wahren spirituellen Herzen verschafft hat, oder mit welcher Methode du am besten Zugang zu deiner inneren Weisheit bekommst? Ich freue mich sehr, von dir zu hören!

Lokah samastah sukhino bhavantu – Mögen alle Wesen in allen Welten glücklich und frei sein!

Von Herz zu Herz,
Deine Christine Samira

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„Die Leute staunen und sagen, dass es ein Wunder sei, auf dem Wasser zu laufen. Nun, für mich ist es ein Wunder auf der Erde zu gehen.“ Thich Nhat Hanh

Eigentlich mag ich das Wort „spirituell“ gern. Ich würde mich selbst als spirituellen Menschen bezeichnen, und umgebe mich auch gern mit solcher Art Menschen. Aber zur Zeit wird mir diese Bezeichnung immer mehr zum Reizwort. Und mehr und mehr suspekt. Dieses Attribut ist mir in den letzten Tagen so oft in Zusammenhängen begegnet, über die ich ehrlich gesagt schon ein wenig erstaunt bin. Ich wundere mich, wer und was so alles als „spirituell“ gilt. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, als ginge ein großer Teil der „spirituell Suchenden“ einer riesigen Täuschung in die Falle. Was da passiert, ist kein Erwachen und Bewusstwerdung, sondern einfach nur eine Umlenkung der Identifikationen und des Ego – weg von der materiellen Welt hin in eine geistig-esoterische Welt. Die Identifikation und das Ego werden nicht weniger – im Gegenteil!!! Da wird eine Illusion gegen eine andere, viel subtilere, getauscht… vom weltlichen Arschloch zum spirituellen Gutmenschen. Ei, ei, ei, wacht endlich auf, möchte ich da am liebsten schreien. Ihr verstrickt euch noch so viel tiefer ins Ego und in die Verblendung, als wenn ihr nie auf die spirituelle Suche gegangen wärt! So mancher „weltliche Blindgänger“ ist noch präsenter und bewusster, als diese esoterischen Überflieger. Letztere sind viel gefährlicher als ein „ganz normaler“ unbewusster Mensch, denn sie fühlen sich ethisch überlegen, in ihrer seelischen Entwicklung „weiter“, und sind sicher, die Wahrheit, die Moral und den göttlichen Segen für sich gepachtet zu haben. Und sie haben ihr Ego natürlich schon längst überwunden, denn sie sind ja immer in Licht und Liebe. Und wenn sie nicht so ein reines Herz hätten und so weit entwickelt wären, dann könnten sie ja auch nicht mit Engeln kommunizieren, in der Akasha-Chronik lesen, Verstorbene sehen, Mutter Maria channeln, Astralreisen unternehmen und die Aura ihrer Mitmenschen wahrnehmen. Und die ganz Großen unter ihnen lassen dann sogar noch Asche aus ihren Händen rieseln und laufen übers Wasser. Wow, toll!!!

So, jetzt aber genug des Zynismus. In Wirklichkeit macht es mich einfach nachdenklich und fassungslos, wie viel Verblendung und aufgeblähtes Ego unter den sogenannten Spirituellen herrscht. Hattet ihr nicht irgendwann mal eure Suche begonnen mit der Sehnsucht, eure eigene Essenz und Göttlichkeit zu erfahren, ganz im Hier und Jetzt aufzugehen, in die bedingungslose Liebe einzutauchen, von der Illusion der Trennung und der Dualität in die Einheit allen Seins zu erwachen? Wie konnte es sein, dass ihr von diesem Weg der Einfachheit und Ursprünglichkeit abgedriftet seid auf einen Pfad der spirituellen Überheblichkeit und Täuschung? Passt auf euch auf. Macht die Augen auf, lasst euch nicht verführen! WACHT AUF!

Ich denke, das große Problem ist, dass es in unserer Kultur keine gelebte spirituelle Tradition gibt. Die Menschen, die eine Sehnsucht nach Tiefe, nach Bewusstheit und nach Antworten auf die essentiellen Fragen des Lebens verspüren, wenden sich eben zum großen Teil der Esoterik zu. Hier hat sich mittlerweile eine regelrechte Parallelwelt entwickelt. Was in unserer stofflichen Welt das Bankkonto, das fette Auto, der tolle Job, der soziale Status, ein attraktives Aussehen, diverse Titel und Diplome und die Designerwohnung ist, ist in der „spirituellen“ Welt die Hellsichtigkeit, die Fähigkeit der Zukunftsdeutung, die Kommunikation mit Engeln, Geistführern, Verstorbenen und aufgestiegenen Meistern, alte Inkarnationen in Atlantis, die Gabe zu heilen, usw. Der eine identifiziert sich mit seiner teuren Segelyacht, der andere mit seiner Fähigkeit, in vergangenen Leben lesen zu können, der eine mit seinem durchgestylten Modelkörper, der andere mit seiner Herkunft vom Planeten Sirius. Wer hat nun das größere Ego? Wer ist tiefer auf dem Irrweg?

„Jemand sagte einmal zu Ramakrishna: ‚Mein Meister ist ein großer Meister. Er kann über Wasser gehen.’ Ramakrishna antwortete: ‚So ein Unsinn! Ich gebe dem Fährmann zwei Pennies und schon bringt er mich ans andere Ufer. Dein Meister ist ein Dummkopf. Geh zu ihm und mach ihm klar, dass er sein Leben nicht verschwenden soll. Es passiert so leicht.’ Der Verstand sehnt sich nach solchen Spielchen. (…) Manchmal denkt er an Geld oder daran, ein größeres Haus zu haben, mehr respektiert zu werden oder über mehr politische Macht zu verfügen. Wenn du dich schließlich der Spiritualität zuwendest, ist dein Verstand immer noch der gleiche. Jetzt sehnst du dich nach einem Mehr an geistigen Kräften – Telepathie, Hellsichtigkeit und all den anderen Unsinn. (…) Das Leben selbst ist ein Wunder, aber das Ego ist nicht bereit, diese Tatsache zu akzeptieren. Es möchte etwas Besonderes leisten, etwas, das niemand sonst kann, etwas Außergewöhnliches.“ Osho

Verstehst du? Es geht in diesem Leben genauso wenig um Hellsichtigkeit wie es um ein teures Luxus-Auto geht. Für viele gilt ein Mensch erst dann als wirklich spirituell, wenn er offensichtlich über „besondere“ Heilkräfte verfügt, alle möglichen Energien wahrnehmen kann, die Zukunft voraussehen kann, verirrte Seelen ins Licht führen kann, mit der geistigen Welt kommunizieren kann, und so weiter und so fort. Und in je höherem Maße er das praktiziert, umso weiter fortgeschritten, umso spiritueller und umso bewusster soll er sein. Und dementsprechend: Wer in dieser Szene etwas gelten und sich Anerkennung verschaffen will, wer sich den massenhaften Zulauf ratsuchender Menschen sichern will, wer hier zu den Großen zählen will, der muss schon ordentlich mit diesen „außergewöhnlichen Fähigkeiten“ klotzen. Seid ihr denn noch zu retten? Seht ihr nicht, wie verrückt das ist? Freu dich, wenn du diese Fähigkeiten hast, halt den Mund und geh weiter. Identifiziere dich nicht damit, mach dich nicht wichtig, nutze diese Gabe nicht aus, um Macht über andere zu haben. Und wenn du diese Fähigkeiten nicht hast, freu dich, dass diese Versuchung an dir vorüber geht, und widme dich nicht noch extra der Schulung dieser Dinge. Du brauchst sie nicht, es wäre bloße Zeitverschwendung! Schenk dieser Begabung bei anderen Menschen keine große Aufmerksamkeit, damit hilfst du ihnen am meisten. Sie hat keinen Wert an sich. Es ist nichts, was du für ein spirituelles, waches, bewusstes Leben brauchst. Und du brauchst auch diese Menschen nicht. Es gibt kein Problem, für dessen Lösung du nicht selbst alles in der Hand hättest, und es gibt keine Frage, auf die du nicht in deinem eigenen Herzen eine Antwort finden würdest. VERTRAU DIR. SEI MENSCH. Such nicht nach Wundern und wunderbegabten Wesen. Nimm endlich das Wunder wahr, das du selbst bist, und sieh das Wunder im Kleinsten der Schöpfung. Hab den Mut, ein Nichts zu sein und dich aufzulösen im Ozean der Liebe. Nur so findest du nach Hause. Lass dich nicht ablenken von Zauberkünstlern, Gurus und Marktschreiern. Die wahrhaft Großen und Erleuchteten sind die Leisen, die Einfachen, die Demütigen, die, die DU nie erkennen wirst, solange du mit den begierigen, nach Anerkennung, Führung und Bestätigung heischenden Augen des Ego statt mit den klaren, unschuldigen Augen des Herzens schaust. Wie heißt es so schön in einem Zen-Spruch: „Wenn du Buddha triffst, töte ihn.“

Wenn du wirklich nach Antworten suchst, wenn du wirklich ein spirituelles Leben leben willst, dann hab endlich den Mut, in die Tiefe zu gehen – über oberflächliche Konzepte und Äußerlichkeiten hinweg. Tauch endlich ein ins Mysterium des Lebens statt in eine Parallelwelt zu flüchten. Geh durch deine Ängste und Schatten hindurch und entzünde dein Licht. Halte dich nicht auf mit einem Pseudo-Lichtlein. Du betrügst dich doch nur selbst! Die Wunderbegabten, die „besonders weit Entwickelten“, die sich zu Hauf auf dieser Welt tummeln, sind alles Feiglinge. Sie machen sich so lächerlich wichtig und glauben, schon so gut wie am Ziel zu sein. Dabei kratzen sie doch nur an der Oberfläche. Sie haben nur die Welten getauscht, nichts weiter. Und die Bewunderer solcher Menschen laufen einem armseligen Trugbild von Spiritualität hinterher, das sie nur immer weiter von sich selbst und von Gott entfernt. Wacht auf!

Was ist ein spiritueller Mensch? Eines steht fest: es hat rein gar nichts mit derartigen außersinnlichen Fähigkeiten zu tun. Das ist wie mit dem Singen, einer Fremdsprache oder der Malerei. Der eine hat ein großes angeborenes Talent dafür, der andere weniger. Einer hat viel Zeit ins Üben investiert, ein anderer weniger, und der nächste hat überhaupt kein Interesse daran. Kämst du auf die Idee, dass ein Mensch, der perfekt Tangotanzen kann, ein besserer oder bewussterer ist, als einer, der zwei linke Beine beim Tanzen hat? Oder dass ein Mensch, der Meister im Klavierspiel ist, weiter entwickelt ist, als einer, der gerade mal ein paar schiefe Töne auf der Mundharmonika hinkriegt? Wohl kaum, oder? Komisch, dass in der „spirituellen Welt“ ein anderer Maßstab gilt, und gewisse Begabungen mit dem Entwicklungsstand und dem Bewusstheitsgrad eines Menschen gleichgestellt werden. Und seltsam, dass gerade in einem Lebensbereich, in dem es ausschließlich ums Sein geht, so viel Wert aufs Tun und Können gelegt wird – und darauf, etwas Besonderes darzustellen, und sich abzugrenzen, statt eins zu werden mit allem. Hm, irgendwas stimmt doch da nicht, oder? Ein Mensch kann schon nicht sehr spirituell sein, wenn er sich selbst (oder bestimmte Leute) als besser, weiter entwickelt, auserwählter, begabter ansieht als andere. Sucht eure Meister nicht bei den Effekthaschern und Wichtigtuern, bei den vermeintlich „Besonderen“, sondern in denen, die ihr am geringsten achtet. Sie haben euch wirklich etwas zu lehren…

Schenk dein Vertrauen und deine blinde Bewunderung nicht denen, die dir Botschaften aus fernen Welten und fernen Zeiten überbringen, sondern denen, die dich lehren, im Hier und Jetzt zu sein und der Stimme deines eigenen Herzens wieder zu lauschen. Schau in die Augen eines aufrichtig Liebenden und erkenne dich selbst. Hab den Mut, in dich selbst hineinzuhören, vertraue dir und geh den Weg, den dein inneres Licht dir weist. Gib die Autorität über dein Leben nicht in fremde Hände. Öffne dein Herz und erkenne die Wahrheit, erkenne die Liebe. Sie liegt direkt vor dir. Du brauchst sie nicht zu suchen in vergangenen Inkarnationen, in Channelings von Kryon oder der weißen Bruderschaft, in Tarotkarten, in Engelsessenzen oder Botschaften von Verstorbenen. Die Götter waren wirklich weise, als sie den Schlüssel zum Himmel im Herzen des Menschen versteckten. Sie wussten, er würde überall danach suchen, auf den Gipfeln der höchsten Berge, in den tiefsten Tiefen der Ozeane, in den fernsten Galaxien, aber vor dem Weg in sein Heiligtum im Innersten würde er ewig zurückschrecken.

Geh in die Natur, beobachte einen Sonnenaufgang, spüre das feuchte Gras unter deinen nackten Füßen, werde eins mit einer schönen Blume, lass dich berühren vom zarten Grün der neuen Triebe der Nadelbäume – das alles kann dir mehr über die Liebe und dein Leben erzählen, als ein Mensch dies je könnte. DAS ist das Leben. Es ist hier und jetzt – in den einfachen Dingen. Die Wahrheit ist immer einfach, und sie zeigt sich jedem, der sich ihr öffnet, in jedem Augenblick!

Für mich muss ein spiritueller Mensch ein Radikaler sein, ein Ver-rückter, ein Revoluzzer. Einer, der bedingungslos JA zu diesem Leben und zu dieser Welt sagen kann. Der bereit ist, das Göttliche in allem und jedem zu finden. Einer, der dem Ruf seines Herzens folgt, der die vollkommene Verantwortung für sich übernimmt und der sich jeden Tag wieder für die Freiheit und die Unsicherheit entscheidet. Der jeden Moment wachsam und präsent ist, der aufgehört hat, Bekanntes nachzuplappern. Einer, der den Mut hat, aus der Masse heraus zu treten, der keinen Wert darauf legt, was andere über ihn denken oder sagen. Der den Mut hat, seine eigenen Antworten und seine eigene Wahrheit zu finden. Der bereit ist, alles loszulassen – alle gesellschaftlichen Konventionen, Normen, Prägungen, Dogmen, Masken, Rollen – um sein wahres, ursprüngliches Menschsein und seine heilige Essenz zu entfalten. Einer, der bereit ist zu sterben, um neu geboren zu werden. Einer, der den Mut hat, ein Nichts zu sein.

Bist du spirituell?

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Oh, wie wunderbar ist es, den weisen Worten eines Gurus zu lauschen und sich die Lehren eines erleuchteten Meisters zu Gemüte zu führen. In der Gegenwart eines solch besonderen Menschen fällt es leicht, in Liebe, Weisheit und Mitgefühl zu schwelgen. Von ihm lassen wir uns gern unterweisen in den Lektionen eines rechten Lebens. Wie sieht es aber aus mit den Menschen, die uns im schnöden Alltag begegnen? Mit der Supermarktkassiererin, die uns mit ihrer Trödelei den letzten Nerv raubt, mit dem Chef, der uns vor versammelter Mannschaft kritisiert und sich nicht mehr an die versprochene Beförderung erinnern will, mit der Schwiegermutter, die alles besser weiß, dem Partner, der uns betrügt oder dem Nachbarn, der wegen des Gebells unseres Hundes vor Gericht zieht?

In dem Buch „Acht Schritte zum Glück. Der buddhistische Weg der liebenden Güte“ (von Geshe Kelsang Gyatso) habe ich vor Jahren einen Gedanken aufgeschnappt, der mich bis heute fasziniert und berührt: Stell dir vor, alle Menschen, die dir begegnen sind erleuchtete Wesen und sind nur zu dem Zweck da, dich ins Erwachen zu führen. Unser gewöhnlicher, verblendeter Geist sieht nur gewöhnliche, verblendete Menschen, aber ist es nicht möglich, dass in Wirklichkeit ein jeder von ihnen ein vollendeter Buddha ist? Die einzige Person, von der wir mit absoluter Sicherheit sagen können, dass sie nicht erleuchtet ist, sind wir selbst. Von den anderen können wir es nicht wissen.

Dieser Gedanke hat die Macht, unser ganzes Leben auf den Kopf zu stellen. Was würde sich verändern, wenn du in jedem Menschen deinen Meister und Guru, deinen Buddha und deinen Führer zur Erleuchtung sehen könntest? Was, wenn es tatsächlich so wäre, dass DU die letzte Seele bist, die noch nicht erwacht ist? Wenn all das Theater hier nur aus unendlicher Liebe zu DIR veranstaltet würde?

Vielleicht würdest du dich von deinen Mitmenschen tiefer im Herzen berühren lassen und könntest die Liebe hinter ihrem Sein erkennen. Vielleicht würdest du alles, was dir an vermeintlichen Ungerechtigkeiten und Leid widerfährt, als Chance zur Selbsterkenntnis und zum Wachstum annehmen können. Vielleicht hättest du mehr Mitgefühl mit dir selbst und deinem Lebensweg. Vielleicht könntest du dich in größerer Demut vor deinen Mitmenschen und vor der Welt verneigen statt zu trennen und zu urteilen.

Wenn es uns auch nur ab und zu gelingen würde, aus unserer persönlichen Betroffenheit herauszutreten, und die liebende Güte hinter den Erscheinungen unseres Lebens zu erkennen, könnten wir den Himmel auf Erden erschaffen. Doch es kann nur jeder bei sich selbst anfangen. Und sollten wir Tausend Mal scheitern…. – wenn es uns auch nur einmal gelingt, den vollkommenen Buddha in unserem Mitmenschen zu erkennen, dann haben wir damit schon die ganze Welt verändert!

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