Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft, die viel Unglück, Krankheit, Wut und Zerstörung über die Welt gebracht hat. Die weibliche Kraft wurde über viele Jahrhunderte totgetrampelt und klein gemacht. Unser ganzes Leben und Wertesystem ist einseitig orientiert an Leistung, Materialismus, Produktivität, Ausbeutung, Gewalt, Konkurrenz und Verstandesfixierung. Dabei handelt es sich natürlich nicht um die heilige männliche Essenz, sondern um pervertierte männliche Attribute. Diese einseitige Ausrichtung hat dazu geführt, dass wir Frauen inzwischen unser ganzes Sein verleugnet haben. Um in dieser Welt bestehen zu können, haben wir uns daran gemacht, die besseren Männer zu werden. Wir haben unsere Sexualität und unseren Körper dem männlichen Ideal untergeordnet, haben den Kontakt zu unserer intuitiven Weisheit und Hingabe geopfert und sind zu perfektionistischen, leistungsbereiten Robotern geworden, die alles tun, um in dieser Welt zu funktionieren. Tief drinnen fühlen wir uns schuldig, minderwertig, ängstlich, nie gut genug, krank und einsam. Und die Männer? Sie sind entweder unter dem Einfluss des Patriarchats verhärtet, gefühlskalt, rücksichtslos und materialistisch geworden und orientieren sich an einem traditionellen männlichen Rollenbild, das weiterhin alles Weibliche unterdrückt und abwertet. Oder sie haben sich in die andere Richtung so weit von ihrer natürlichen Männlichkeit entfernt, dass sie zu saft- und kraftlosen Jasagern und Pantoffelhelden mutiert sind, die sich ihrerseits von vermännlichten und frustrierten Frauen drangsalieren und manipulieren lassen und – im übertragenen und nicht selten auch wörtlichen Sinne – „keinen mehr hoch kriegen“, nicht mehr ihren Mann stehen. Zwischen den Geschlechtern herrschen Kampf, Schuldgefühle, Resignation und Missverständnisse. Die wundervolle Polarität, in der wir uns gegenseitig anziehen und faszinieren, ist total verschwommen. Die Vereinigung ist keine Explosion und mystische Erfahrung mehr, sondern ein reines Druckablassen, denn es geht nicht um die Vereinigung zweier Gegensätze zu einem Ganzen, sondern es nähern sich zwei gleiche oder sehr ähnliche Welten an. Es ist keine heilige Begegnung mehr zwischen dem Männlichen und Weiblichen, sondern eine Begegnung von zwei Neutrums. Oder aber es kommen zwei zusammen unter dem Gesichtspunkt der Ausbeutung und Bedürftigkeit.
Fakt ist, dass sich in unserer Zeit sowohl Männer als auch Frauen verloren haben. Und solange wir uns nicht selbst wieder finden, können wir keine wahre, liebevolle und freie Partnerschaft leben. Aber viel mehr noch: Der Friede in der Welt hängt davon ab, dass Männer sich wieder mit ihrer natürlichen, heiligen Männlichkeit verbinden, und Frauen ihre natürliche, heilige Weiblichkeit zurück erobern. Wir müssen wieder ein Gefühl dafür bekommen, was männlich und weiblich im höchsten Sinne bedeutet. Das Männliche ist expansiv und erobernd, während das Weibliche hingebend und bewahrend ist. Das Männliche ist aktiv und sonnenhaft, geprägt vom Tun, das Weibliche ist passiv und mondhaft, geprägt vom Sein. Das Männliche ist kraftvoll, abgrenzend und beschützend, während das Weibliche weich, offen und integrierend ist. Das Männliche ist analytisch und rational, das Weibliche dagegen intuitiv und emotional. Das Männliche ist führend, das Weibliche folgend; und so weiter. Ich meine das natürlich alles im positivsten Sinne! In unseren Ohren hört sich manches minderwertig und schwach oder aber aggressiv und lieblos an, weil wir diese Qualitäten kaum in ihrer reinen und liebevollen Ausprägung kennen. Nichts davon ist besser oder schlechter, sondern beides gleich wichtig für die Harmonie in der Welt. Ich bin mir sicher, in der neuen Zeit werden nur Beziehungen Bestand haben, die das Männliche bzw. Weibliche jeweils in sich selbst und im anderen anerkennen und verehren. Wir müssen uns in liebevollen Beziehungen gegenseitig helfen, wieder in unsere Kraft zu kommen. Je mehr eine Frau ihre authentische Weiblichkeit lebt, umso mehr kann der Mann seine Männlichkeit wieder finden und umgekehrt. Wir müssen uns gegenseitig den Raum eröffnen, wieder die zu sein, die wir von Natur aus sind – mit unseren spezifischen Stärken, aber auch mit dem was uns fehlt und worin wir uns gegenseitig ganz machen können.
Nach Jahrhunderten der Unterdrückung des Weiblichen ist es so wichtig, dass wir Frauen jetzt aufstehen und unsere Macht ergreifen (Macht ist nichts Negatives, wir haben es nur über so lange Zeit falsch vorgelebt bekommen und uns etwas anderes einreden lassen). Der Wandel und die Heilung der Gesellschaft muss und wird von erwachten Frauen ausgehen, die mutig ihre Herzensweisheit verkünden und eine neue Welt erträumen. Und dazu braucht es Männer, die uns mit ihrer ganzen Kraft und selbstbewussten Männlichkeit unterstützen – und die so mutig sind, alte Pfründe, überholte Überzeugungen und Traditionen, hohle Dogmen und Bequemlichkeiten aufzugeben und etwas Neues zu erschaffen und neu und frei zu denken. Die ihren Geschlechtsgenossen offen vorleben, dass es auch anders geht. Die ihr Ego zügeln, einen Schritt zurück treten und den Frauen die erste Reihe überlassen und mit stiller Präsenz und Tatkraft hinter uns stehen. Die alte Mauern einreißen und einen schützenden Rahmen bilden, in dem das Neue gedeihen kann. Die Verantwortung übernehmen. Die bereit sind, wieder zu lieben und zu fühlen und ein Teil von Mutter Erde zu werden!
Ich habe in Form von zwei Gedichten versucht in Worte zu fassen, welches Geschenk wir als authentische Frauen und Männer uns gegenseitig machen können. Mögen wir doch endlich zusammen finden!
Shaktis Geschenk
Lass mich dir die Erde zu Füßen legen
in ihrer geheimnisvollen Macht und Tiefe.
Versinke in der Unendlichkeit des Seins
und finde deine Wurzeln in mir!
Lass dich fallen in meine Weichheit
wenn du müde und erschöpft bist vom Tun.
Ich verströme den Duft meines Herzens
und wiege dich sanft in den Armen der Liebe.
Spür meine unbändige Kraft,
die so wild ist und doch zart und heilig.
Bereit, zu bluten und Tausend Tode zu sterben
um im Dunkel dir mutig zur Seite zu stehen.
Ich halt die Schale, in der du dein Feuer entzündest
und hüte unsern gemeinsamen Schatz.
Meine Zärtlichkeit offenbart dir das Lächeln der Welt,
damit deine Kriege und Kämpfe ein Ende finden.
Ich verneige mich vor deiner Kraft und Stärke
und folge dir blind auf unsrem Weg.
Ich vertraue der Weisheit deines Herzens,
nichts kann meinen Glauben an dich erschüttern.
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Shivas Geschenk
Lass mich dir den Himmel zu Füßen legen
in seiner strahlenden Klarheit und Weite.
Atme den flüchtigen Hauch des Augenblicks
und entfalte deine Flügel in mir!
Ich bin dein Fels und deine Zuflucht,
halt dich sicher im Strudel der Gezeiten.
Mach dir meine Kraft und Stimme zum Geschenk,
damit du mutig deine Wahrheit lebst.
Von deiner Liebe tief im Innersten berührt,
lausch ich demütig dem Klang der Schöpfung,
reiß meine inneren Mauern nieder,
um eins zu werden mit dem Herz der Welt.
Spür meine Aufrichtigkeit und stille Präsenz,
die dir beharrlich zeigt, du bist die Eine.
In meinen Augen spiegelt deine Schönheit sich wider,
um uralte Ängste und Zweifel zu heilen.
Ich verneige mich vor deiner Weichheit und Würde,
will mich ergeben in deinen heiligen Traum.
Meine Worte erblühen in wahren Taten,
um gemeinsam eine neue Welt zu erschaffen.