So… jetzt hatte ich aus Zeitgründen ewig lange keinen neuen Blogeintrag geliefert, und dann gleich zwei an einem Tag. Aber nach meinem Lichtertext muss ich heute einfach nochmal einen nachschieben. Ich muss unbedingt – einen Tag vor Heiligabend – eine Lanze brechen für alle Weihnachtstrubel- und Geschenke-Fans. Schon seit Tagen tauchen sie wieder von allen Seiten auf, die „Wir-schenken-uns-dieses-Jahr-nichts“-Puristen, die „Das-ist-doch-alles-nur-Konsumterror“-Radikalen und die „Besinne-dich-auf-den-eigentlichen-Sinn-von-Weihnachten“-Bekehrer. Es nervt! Gibt es denn niemanden mehr, der noch Spaß an Weihnachten hat? Ich bekenne hiermit öffentlich: auch mit meinen vierzig Jahren bin ich immer noch ein großer Weihnachtsfan. Und ich liebe den Trubel und die Vorfreude, ich liebe es, Geschenke zu machen und zu bekommen, ich liebe den Lichterzauber, ich liebe es, über Christkindlmärkte zu strolchen, unsinnigen Kleinkram zu kaufen, und eine Tasse zu viel Glühwein zu trinken, ich liebe es, noch mehr Engel in der Wohnung herumstehen zu haben als sonst, ich liebe es, an Weihnachten mit der Familie zu schlemmen bis mir der Bauch weh tut. So, jetzt isses raus!
Ganz ehrlich: ich finde es seltsamer und heuchlerischer, an zwei Tagen im Jahr in die Stille gehen zu müssen und mich der Liebe besinnen zu müssen, als Geld auszugeben für eine ausgelassene Feier, schöne Geschenke und ein bisschen Glitzerzauber und Romantik. Liebe, Achtsamkeit und Einkehr sollte doch Teil unseres täglichen Lebens sein. Aber Weihnachten ist ein besonderes Fest, das wir eben nur einmal im Jahr feiern – und ist es nicht ein Fest der Liebe und der Freude? Es ist doch ein Geburtsfest, ein Fest des ewigen Lebens und des Lichts, und keine Trauerfeier! Und wie bei jeder großen Feierlichkeit gehört eben auch hier eine gewisse Anspannung, Vorbereitung und Aufregung dazu. Das ist doch gerade das Besondere! Und was die Geschenke betrifft: wir konsumieren das ganze Jahr über wie die Blöden: neues Handy, iPad, Laptop, Auto, Urlaub, Klamotten, Haushaltsgeräte usw., aber ausgerechnet an Weihnachten, wenn wir für andere etwas Schönes kaufen, gilt es als anrüchig und profan. Aber liegt es nicht vielmehr an der Einstellung des Schenkenden, ob ein Geschenk nur ein schnell dahin geworfenes Konsumgut ist, oder ob es eine Gabe der Liebe und Wertschätzung ist? Und dabei spielt es keine Rolle, wie teuer es ist. Abgesehen davon darf und soll Geld doch fließen. Wenn wir es nicht mit Großzügigkeit ausgeben können, um uns und unseren Lieben eine Freude zu machen und die Liebe und Lebendigkeit zu vermehren, wofür sollte es dann gut sein?
Als mein Opa noch lebte (er starb, als ich 24 war), bekamen wir Enkel immer schon ein paar Tage vor Weihnachten 250 Mark, um uns etwas Schönes zu kaufen. Ich fieberte dem Tag immer entgegen, denn dann hatte ich endlich Geld zur Verfügung, um meinen Eltern, dem Opa, meinem Freund, meinen Schwestern und Freundinnen ein schönes Geschenk zu kaufen. Am Ende war zwar kaum mehr etwas für mich übrig, aber an dem großen Tag zählte für mich die Freude der Beschenkten viel mehr. Das ist für mich eben auch ein Stück Weihnachten: die Freude und Überraschung in den Augen der Beschenkten zu sehen und ihnen zu zeigen, wie wichtig sie sind, und auf der anderen Seite auch das schöne Gefühl, dass sich jemand Gedanken gemacht hat, wie er mir eine kleine Freude bereiten kann. Ich weiß schon, das hat nichts mit der bedingungslosen Liebe zu tun, an die uns Weihnachten erinnern soll, aber es ist eben eine von vielen Möglichkeiten, menschliche Liebe auszudrücken.
Letzte Nacht habe ich noch von meiner Sehnsucht nach Stille geschrieben (siehe vorheriger Blogeintrag). Ja, ich denke, Weihnachten darf gerade beides sein: ausgelassene Freude, Trubel, Feiern, Geschenke – nenne es meinetwegen „Konsum“ – und auf der anderen Seite Momente der Einkehr, der Stille und Besinnung. Ich habe auch dieses Jahr die Vorweihnachtszeit in vollen Zügen genossen. Bin über viele Weihnachtsmärkte gebummelt, habe meinen Freund zu einem Überraschungswochenende nach Salzburg eingeladen, war auf zwei tollen Weihnachtskonzerten, habe viel zu viel Stollen und Lebkuchen gefuttert und – natürlich – fleißig Geschenke gekauft. Wobei mein Weihnachtstransport dieses Jahr für meine Verhältnisse schon recht klein ausfällt, denn meine Schwester, ein „Wir-schenken-uns-nichts-wir-haben-doch-schon-alles-und-es-ist-immer-so-schwer-das-Richtige-zu-finden“-Weihnachtstyp hat ein Familiengeschenkverbot im Geschwister- und Elternkreis verfügt. (Dieser Kampf wird jedes Jahr wieder von Neuem ausgefochten, daher stehen die Karten gut, dass ich nächstes Jahr wieder zu meinem Recht komme… 😉 ). Und nach all dem Feiern und der Vorfreude ist jetzt, wo das Fest vor der Tür steht, für mich die Zeit, auch wieder Stille zu genießen. Und wenn wir morgen Abend gemeinsam essen, dann werden wir lachen und erzählen, und ich werde in einer stillen Minute an meinen Vater denken, denn es ist heuer schon das vierte Weihnachtsfest ohne ihn und ich werde ihn wieder besonders vermissen. Und vor dem Schlafengehen werde ich mir eine CD mit der Misa criolla oder klassischer Weihnachtsmusik einlegen und den Abend ganz in Stille und bei Kerzenschein ausklingen lassen. Und dann werde ich den ersten Feiertag im Trubel der ganzen Familie genießen, zu viel essen, und zu viel Rotwein und Kaffee trinken. Und am Abend werde ich mich mit meinem Schatz aufs Sofa rollen und einfach nur dankbar sein, dass es ihn gibt und ich mit diesem wunderbaren Mann zusammen bin. Ja, da werden wir bestimmt auf kreative Art und Weise (mehr oder weniger still) über die wunderbaren Facetten der Liebe meditieren. Bevor ich mich dann am nächsten Tag wieder über den Stress freuen darf, knappe 250 km zu seiner Familie zu rasen, um uns dort im Trubel seiner Liebsten erneut den Bauch voll zu schlagen. Ja, und sind die besinnlich-stillen-stressig-trubeligen Weihnachtstage dann überstanden und alle Geschenke verstaut, dann darf der Silvesterstress so langsam kommen. Was wollen wir essen, auf welche Party geht’s, was zieh ich an, Brot oder Böller, zu mir oder zu dir? Alle Jahre wieder – ich liebe diese Zeit!
Anknüpfend an meinen letzten Blogtext, möchte ich heute nochmal ein paar zusätzliche Kerzen anzünden:
Für all die, die dank überbordender Weihnachtseinkäufe schon jetzt voller Grauen an die Vielzahl der ungnädigen Januar-Rechnungen denken
Für all die, die die nächsten Tage unter Bauchkrämpfen und Kater zu leiden haben
Für all die, die nicht wissen wohin mit der zwanzigsten Krawatte
Für all die, die am Morgen von Heiligabend noch letzte Einkäufe erledigen müssen
Für all die, deren Nerven brachliegen und die mit ihren Liebsten am Fest der Liebe streiten statt sich zu lieben
Für all die, die sich in der Stille langweilen oder auf komische Gedanken kommen
Für all die, die noch ans Christkind glauben und erst recht für die, die nicht mehr dran glauben
In diesem Sinne: Feliz Navidad! (José Feliciano ist übrigens das einzige, was mich an Weihnachten wahnsinnig macht – das wär tatsächlich ein Grund, …. Ach nein!)