Hast du schon einmal über die Bedeutung des Wortes „Absichtslosigkeit“ nachgedacht? Ein Wort, das im alltäglichen Sprachgebrauch der meisten Menschen vermutlich gar nicht vorkommt. Alles was wir tun und sagen, folgt irgendeiner Intention, einer Absicht, einem Zweck und Ziel. Sonst bräuchten wir es ja gar nicht zu tun. Oder???
Mir ist dieses Wort in einem Massagekurs begegnet, wo es um „absichtslose Berührung“ ging. Ich habe mich in dieses Wort gleich verliebt, denn es fühlt sich irgendwie leicht und unschuldig an, so frei und strahlend. Ich sehe dabei vor meinem inneren Auge ein lustiges Wiesenblümchen, das sich weich und flexibel im Wind wiegt und seinen zarten, kaum wahrnehmbaren Duft verströmt. Dieses Blümchen hat nur eine Bestimmung: da zu sein. Vielleicht wird es nie von einer Menschenseele bemerkt, vielleicht wird es morgen umgemäht, vielleicht wird es von einer Kuh verspeist, oder vielleicht wird es von einem Kind gepflückt und landet mit anderen Blumen zusammen in einer Vase auf einer festlich gedeckten Kaffeetafel. Man weiß nicht, was mit ihm passiert. Aber man hat das Gefühl, was auch immer diesem Blümchen widerfährt, es ist in Ordnung. Ja, so ist die Absichtslosigkeit: sie verwandelt alles, was sie berührt. Was von ihr durchdrungen ist, will nichts, ist nach allen Richtungen hin offen, IST einfach.
Die Absichtslosigkeit ist eine mächtige Zauberin: sie vermag unseren Handlungen und Worten wieder ihre Unschuld zurück zu geben. Sie wäscht unser Tun rein von Motiven und Bedingungen, von den Verfärbungen unseres Ego. Sie bringt uns ins Herz und ins Jetzt. Lass dich einen Moment in die Energie der Absichtslosigkeit hineinfallen und spüre den Unterschied:
Stell dir vor, du arbeitest nicht, um Geld zu verdienen oder dir einen tollen Urlaub leisten zu können, sondern einfach nur um der Arbeit Willen. Weil es einfach ein innerer Drang und eine Freude ist, genau jetzt diese Arbeit zu tun. Oder stell dir vor, du berührst einen geliebten Menschen absichtslos. Nicht um ihn anzumachen oder um seine Verspannungen zu lösen, sondern nur aus der reinen Freude der Berührung heraus, einfach nur um zu berühren und zu spüren. Stell dir vor, du spielst ein Musikinstrument nicht, um eine perfekte Darbietung abzuliefern und bewundert zu werden, sondern einfach nur um des bezaubernden Klangs Willen. Stell dir vor, du meditierst nicht, um hellsichtig zu werden oder deine Migräne zu bekämpfen, sondern einfach aus der Freude an der inneren Stille heraus.
Absichtslos handeln kann man nur, wenn man das was man tut, gern und mit Liebe macht. Wer keine Freude daran hat, einen Menschen zu berühren, wird nie zu einer absichtslosen Berührung fähig sein. Wer seinen Beruf hasst, wird seine Tätigkeiten nicht in absichtsloser Freude am Geben ausführen können. Und wer für seinen Sport keine wirkliche Begeisterung empfindet, wird nie aus Spaß an Bewegung und Spiel heraus agieren, sondern ihn nur ausüben, um … zu …. Ein Grund mehr, immer wieder zu überprüfen, ob das was wir tun, was wir denken, was wir sagen und was wir leben, wirklich noch stimmig ist und aus dem Herzen kommt.
Versuche in deinem Alltag ab und zu inne zu halten und dich im absichtslosen Tun zu üben. Lass alle Deutungen, Hintergedanken, Erfahrungen, Erwartungen und Motive los. Werde eins mit dem was du tust und mache es nur um der eigentlichen Sache Willen. Wenn du die Zauberin der Absichtslosigkeit in dein Leben einlädst, spürst und erfährst du dich neu. Du wirst immer mehr aus deiner Mitte heraus leben, und die Dinge, die nicht deinem Herzensweg entsprechen, werden von selbst nach und nach wegfallen. Du wirst sehen, wie alles was du tust plötzlich eine ganz neue Tiefe und Kraft erhält, und du wirst lernen, mit dem Leben zu fließen statt Dinge zu planen oder zu erzwingen. Lass dich überraschen, was passiert. Du kannst sicher sein, dass es wundervoller sein wird, als alles, was du je mit Anstrengung und Willen erreichen könntest.
Hallo,
ich glaube, ich weiß, was du meinst.
Sehe es aber zum Beispiel beim Heilen oder auch im Leben eher so, dass man eine Absicht haben sollte, sich dann aber zurücknimmt und es geschehen lässt (Herr, dein Wille geschehe.). Wenn ich eine Absichtslose Massage mache, habe ich die Absicht keine Absicht haben zu wollen?Was hat der Klient davon? Wenn ich meine Energie nicht ausrichte, weil ich keine Absicht habe, wohin fliesst sie dann? Zu den Vögeln draußen am Fenster, zum Schnürsenkel, …
Die Absicht ist für mich immer mit dem Fokus verbunden.
Absichtslos ist klingt nach Zen, oder? Du starst absichtslos die Wand an. Aber mit welcher Absicht macht man Zen? Die „Erleuchtung“ bekommst du eher, wenn du dich aber auf das Licht (in den Zellen) konzentrierst…
Liebe Grüße,
Matthias
Hallo Matthias,
vielen Dank für deinen Kommentar. Entschuldige bitte, dass ich erst heute dazu komme, zu antworten…
Ich wollte mit dem Artikel gar nicht werten, und sagen, dass es besser sei, Dinge absichtslos zu tun. Es ist nur so, dass fast alles, was wir tun, einer bestimmten Intention folgt. Wir tun etwas, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Mit dem Artikel wollte ich dazu ermutigen, einmal eine andere Qualität des Tuns zu erfahren. Aber nicht mit der Absicht, keine Absicht zu haben, denn das wäre ja schon wieder eine Absicht. 😉 Wenn ich eine absichtslose Massage gebe, dann bin ich voll präsent. Es gibt keinen Sinn, kein Ziel, kein Wollen. Es gibt nur mich, den Empfänger und die Berührung. Wenn du dich wirklich vollkommen ins Tun fallen lassen kannst, dann wird der Berührende, der Berührte und die Berührung eins. Das ist eine Erfahrung, die du niemals erleben kannst, solange du mit dem Verstand und einer Zielfokussierung bei der Sache bist.
Und was machst du: du willst etwas bestimmtes erreichen, und dann sagst du „Herr, dein Wille geschehe“. Das ist nicht ehrlich. In Wirklichkeit vertraust du Gott nicht, dass er das Richtige macht. Du meinst, du wüsstest besser, was der Mensch, der zu dir kommt, braucht. Ich kenne das ja gut von mir selber. Das Ego ist schon ein wunderbares Gebilde… 😉 Du brauchst deiner Heilenergie gar keine Richtung geben. Allein die Tatsache, dass du Heilbehandlungen anbietest, beinhaltet ja schon eine gewaltige Absicht. Mehr braucht es meiner Meinung nach nicht. Was könnte sicherer und heilsamer sein, als dein Tun ganz in Gottes Hände zu geben und IHN durch dich wirken zu lassen? Wofür braucht es da noch dein begrenztes Denken?
Ich bin auch überzeugt, wenn ich das tue, was meinem Wesen entspricht, wenn ich sozusagen mein Licht in die Welt bringe und meine Talente entfalte und das tue, was ich am meisten liebe, dann brauche ich keine Absicht und kein Ziel mehr dahinter. Dann kann ich mich vollkommen im Vertrauen zurücklehnen und weiß, dass sich alles sowieso zum größten Segen für mich und die gesamte Schöpfung entwickelt. Das ist ein Leben aus dem Herzen und aus der Liebe heraus. Da braucht es kein weiteres Ziel und keine weitere Absicht mehr. Und das ist für mich auch die höchste Form des Heilens. Durch pure Präsenz und Bewusstheit einfach nur einen Raum der vollkommenen Liebe und Annahme zur Verfügung zu stellen und dann alles weitere geschehen lassen. Die göttliche Energie weiß doch selbst am besten, wo sie gebraucht wird, meinst du nicht? Und wenn sie zu den Vögeln am Fenster oder zum Schnürsenkel fließt… – ich vertraue darauf, dass es dann genau so sein soll und richtig ist. Es gibt keine höhere Absicht, als in Liebe zu SEIN – das ist Heilung.
Und du schreibst „Erleuchtung bekommen“. Ich bin überzeugt davon, dass die Erleuchtung nichts ist, was man bekommen könnte. Es ist für mich ganz einfach unsere wahre Natur, und damit sowieso schon in jedem Menschen vorhanden – nur eben verschüttet und vergessen. Erleuchtung ist sozusagen ein Wieder-er-innern. Es ist ein Zustand von absoluter Bewusstheit und Einheit und Präsenz im Jetzt. Sich auf irgendetwas (und sei es das Licht in den Zellen) zu konzentrieren oder irgendetwas zu tun, ist die beste Garantie dafür, diesen Zustand nie wahrzunehmen. Weil es eben nichts ist, was man im Tun erlangen könnte, sondern nur durch’s Sein erfahren kann. Wenn also jemand meditiert, um Erleuchtung zu erlangen, dann ist er auf dem Holzweg. Buddha hat jahrelang danach gestrebt, Erleuchtung zu erlangen – durch Meditieren, Studieren und Fasten. Doch erst in dem Moment, als er vollkommen verzweifelt war und das Streben nach Erleuchtung aufgegeben hatte, ist es passiert. „Hingabe“ heißt das Zauberwort. Und Hingabe ist das Gegenteil von Wollen und Streben und Tun.
Vielleicht hast du ja doch mal Lust, eine vollkommen absichtslose Behandlung zu geben und den Unterschied zu spüren. Ich denke, wie bei allem ist es so, dass man etwas erst aus der eigenen Erfahrung heraus wirklich beurteilen kann – viel mehr als aus dem Denken und Analysieren.
Liebe Grüße,
Christine
Guten Tag Christine,
ein wirklich schöner Artikel, Gratulation, dem ich zu 100 % zustimme. In meinem ganzen Berufsleben (ich bin nun schon 57 Jahre alt) konnte ich diese Erfahrung machen. Auch in einem vielleicht für die meisten Leser dieses Artikels fremden Beruf (Börsenhandel) war das immer wieder sehr schön für mich zusehen, dass das Ganze zu einer persönlichen Lebensphilosophie geworden ist.
Ich konnte das Ganze auch im späteren Verlauf bei den Angestellten in meiner Firma gut beobachten. Immer wenn man einfach das Beste im Handel getan hat, auch aus einer Freude am Handel heraus, kam es (im Sinne von Erfolg) ich sag mal kaum zu schlechten Ergebnissen (ich würde fast 100% sagen, allerdings kann ich natürlich mich nicht mehr an alles erinnern sonst würde ich übertreiben). Was ich allerdings gut in Erinnerung habe waren die Tage, an den ich ein bestimmtes Ziel erreichen wollte (Ego) und dann kläglich gescheiter bin. Oder die Tage an denen es durchaus auch zu Erfolgen kam, allerdings habe ich da oft einen hohen energetischen Aufwand betrieben und viele negative Emotionen erlebt.
Wenn ich dagegen in dem ziellosen Modus (nichts haben wollte, gewinnen schon) war, wurden diese Ergebnis mit sehr wenig Widerstand erzielt, ich würde dies, was seither gelernt habe, schon als einen flowähnlichen Zustand beschreiben. Mein Wahlspruch meinen Mitarbeiter gegenüber wurde dann: „beim guten Handel muss dein Ego unter dem Türschlitz durchpassen“. Im Leben am Besten vielleicht immer. 🙂
Aber auch in ganz anderen Lebensbereichen hatte ich Erfahrung immer wieder gemacht. Am letzten Samstag war a so ein größeres Ereignis. Wenn man einfach sein Bestes gibt und sich auf das Jetzt konzentriert, dann spürt man einfach diese Aufgehobenheit im Ganzen und irgendwie klappt es am Ende dann auch .
Schöner Artikel von Ihnen, der hoffentlich viele Leser findet. Einfach weil dieser wahr und authentisch und dazu noch mit viel Liebe verfasst ist.
Herzliche Grüsse
Norbert
Oh, vielen Dank, lieber Norbert, dass du deine Erfahrung so ausführlich geschildert hast. Es freut mich sehr, dass du mit der Leichtigkeit der Absichtslosigkeit auch so tolle Erlebnisse hattest. Ich wünsche dir noch gaaanz viele solch leichter und beschwingter Momente im Leben.
Sei ganz herzlich gegrüßt,
Christine
P.S. Ist das Zufall, dass wir Namensvetter sind, oder hattest du nach „Fleckenstein“ gegoogelt? Ist ja lustig, denn das kommt wirklich nicht oft vor!!! 🙂
Ich hatte vor ein paar Wochen über Unschuld gegoogelt und den Link vor der Favoritenliste hinzugefügt. Hatte mir gut gefallen. Keine Ahnung, eigentlich schreibe ich nie Kommentare. Irgendwie hatte ich heute morgen einfach den Impuls. Schön und danke, dass du das mit der Namensgleichheit geschrieben hast. Schätze, ist so etwas wie Synchronizität. Werde mal schauen was mir das sagt.
Gute Zeit
Hallo Christine,
nachdem mir das Thema Absichtslosigkeit sehr wichtig ist, habe ich mir nochmals die Konversation angeschaut. Es gehört zur Wahrheit dazu, dass deine Anmerkung, ob ich den Namen Fleckenstein gegoogelt hätte, alles andere als absichtslos ist. Und somit vollkommen im Gegensatz zu deinem an sich sehr guten und wichtigen Text steht.
Es ist halt immer so ein Thema mit Wort und Tat. Wie heißt es in der Bibel dazu so passend, an den Taten wirst du sie erkennen.
Gruß
Norbert Fleckenstein
Hallo Norbert, uiii, das ist jetzt aber ein hartes Urteil auf eine liebevolle Nachfrage, nachdem mich die Namensgleichheit einfach amüsiert hat. Ich treffe nicht so oft „Fleckensteins“. Aber gut, ich nehme dein Urteil so hin und lasse es dir.
Mit lieben und vollkommen absichtslosen Grüßen,
Christine