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Archive for Oktober 2012

Gestern habe ich eine der schönsten Liebeserklärungen gelesen, die ich mir vorstellen kann. Sie galt zwar nicht mir selbst, aber trotzdem… 😉

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „happinez“ findet sich ein Bericht über das Leben der englischen Adligen Vita Sackville-West (1892-1962), die sich – hin und her gerissen  zwischen Konvention und Freiheitsdrang – als Schriftstellerin und Gartengestalterin einen Namen machte.

Mit 18 lernt sie ihre große Liebe, den Diplomaten Harold Nicolson kennen, den sie drei Jahre später heiratet. Obwohl beide nebenher zahlreiche gleichgeschlechtliche Affären haben, hält ihre tiefe, mystische Liebe bis ans Ende ihres Lebens. Tausende von Briefen schreiben sich die beiden im Laufe ihrer Ehe – finden Worte für das Unsagbare und bestärken sich gegenseitig in ihrer Zuneigung und Seelenverbundenheit. Die Gestaltung des völlig verwahrlosten Gartens ihres Anwesens Sissinghurst Castle wird zur gemeinsamen Vision und schließlich zum Vermächtnis ihrer großen Liebe. Heute befinden sich das Schloss und der Garten im Besitz des National Trust und locken jährlich ca. 160000 Besucher an.

In einem ihrer ersten Briefe schreibt Vita ihrem Geliebten: „Lass uns einfach unbeschreiblich glücklich sein.“ Wahnsinn! Was für eine Liebeserklärung, was für ein Versprechen an eine gemeinsame Zukunft! Es geht nicht darum, die Verantwortung für das Glück des anderen zu übernehmen, sondern um die Entscheidung, sich selbst auf die Glücksmomente des Lebens zu fokussieren und im Zusammensein das positive Lebensgefühl noch zu verstärken. Sie spricht auch von „einfach“ glücklich sein. Gerade in den kleinen, einfachen Dingen liegt das Glück verborgen, und es bedarf nicht mehr als einer einfachen Entscheidung, sich auf das Gute auszurichten. Was für eine umwerfende, kindliche Leichtigkeit spricht aus diesen Worten!

Und es reicht Vita nicht, „nur“ glücklich zu sein, sie will „unbeschreiblich glücklich“ sein. Damit spielt sie auf das tiefe Glücksgefühl im Innersten, im eigenen Herzen an, das sich nicht durch äußere Umstände trüben lässt. Es geht um das pure Glück des Seins, um die reine Freude am Leben und die Hingabe an die Magie des Augenblicks. Es ist die Verpflichtung, das Leben mit den wachen Augen der Begeisterung zu sehen. Was für ein schöneres Geschenk kann man der gemeinsamen Liebe machen?

„Lass uns einfach unbeschreiblich glücklich sein.“

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Oh, wie wunderbar ist es, den weisen Worten eines Gurus zu lauschen und sich die Lehren eines erleuchteten Meisters zu Gemüte zu führen. In der Gegenwart eines solch besonderen Menschen fällt es leicht, in Liebe, Weisheit und Mitgefühl zu schwelgen. Von ihm lassen wir uns gern unterweisen in den Lektionen eines rechten Lebens. Wie sieht es aber aus mit den Menschen, die uns im schnöden Alltag begegnen? Mit der Supermarktkassiererin, die uns mit ihrer Trödelei den letzten Nerv raubt, mit dem Chef, der uns vor versammelter Mannschaft kritisiert und sich nicht mehr an die versprochene Beförderung erinnern will, mit der Schwiegermutter, die alles besser weiß, dem Partner, der uns betrügt oder dem Nachbarn, der wegen des Gebells unseres Hundes vor Gericht zieht?

In dem Buch „Acht Schritte zum Glück. Der buddhistische Weg der liebenden Güte“ (von Geshe Kelsang Gyatso) habe ich vor Jahren einen Gedanken aufgeschnappt, der mich bis heute fasziniert und berührt: Stell dir vor, alle Menschen, die dir begegnen sind erleuchtete Wesen und sind nur zu dem Zweck da, dich ins Erwachen zu führen. Unser gewöhnlicher, verblendeter Geist sieht nur gewöhnliche, verblendete Menschen, aber ist es nicht möglich, dass in Wirklichkeit ein jeder von ihnen ein vollendeter Buddha ist? Die einzige Person, von der wir mit absoluter Sicherheit sagen können, dass sie nicht erleuchtet ist, sind wir selbst. Von den anderen können wir es nicht wissen.

Dieser Gedanke hat die Macht, unser ganzes Leben auf den Kopf zu stellen. Was würde sich verändern, wenn du in jedem Menschen deinen Meister und Guru, deinen Buddha und deinen Führer zur Erleuchtung sehen könntest? Was, wenn es tatsächlich so wäre, dass DU die letzte Seele bist, die noch nicht erwacht ist? Wenn all das Theater hier nur aus unendlicher Liebe zu DIR veranstaltet würde?

Vielleicht würdest du dich von deinen Mitmenschen tiefer im Herzen berühren lassen und könntest die Liebe hinter ihrem Sein erkennen. Vielleicht würdest du alles, was dir an vermeintlichen Ungerechtigkeiten und Leid widerfährt, als Chance zur Selbsterkenntnis und zum Wachstum annehmen können. Vielleicht hättest du mehr Mitgefühl mit dir selbst und deinem Lebensweg. Vielleicht könntest du dich in größerer Demut vor deinen Mitmenschen und vor der Welt verneigen statt zu trennen und zu urteilen.

Wenn es uns auch nur ab und zu gelingen würde, aus unserer persönlichen Betroffenheit herauszutreten, und die liebende Güte hinter den Erscheinungen unseres Lebens zu erkennen, könnten wir den Himmel auf Erden erschaffen. Doch es kann nur jeder bei sich selbst anfangen. Und sollten wir Tausend Mal scheitern…. – wenn es uns auch nur einmal gelingt, den vollkommenen Buddha in unserem Mitmenschen zu erkennen, dann haben wir damit schon die ganze Welt verändert!

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Zur Zeit liegt der Vater einer lieben Freundin von mir im Sterben. Ich denke oft an sie und erinnere mich an den Tod meines eigenen Vaters vor zweieinhalb Jahren. Einen Elternteil loszulassen ist unendlich schwierig. Selbst wenn man schon längst erwachsen ist, ist es, als wenn man plötzlich endgültig Abschied von der Kindheit nehmen müsste, und ganz auf sich allein zurückgeworfen würde. Ein festes Kontinuum im Leben bricht weg, ein Halt und eine Liebe, auf die man sich immer verlassen konnte.

Mein Vater lag zehn Tage mit einer schweren Hirnblutung auf der Intensivstation, bevor er nach zähem Kämpfen und Ringen gehen konnte. Diese zehn Tage gehören mit zu den intensivsten meines Lebens – es war ein Hin-und-her-gerissen-sein zwischen Hoffen und Bangen, Mut und Verzweiflung, Hingabe und Auflehnung, Weinen und Lachen. Ich lebte nur noch von Besuchszeit zu Besuchszeit und war die letzten drei Tage fast ununterbrochen an seinem Sterbebett.

Ich wollte es zuerst nicht akzeptieren, dass er sterben könnte, und habe mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen versucht. Ich habe gebetet, unendlich viele Kerzen angezündet, ihm Fernheilungen geschickt, ein Wunder visualisiert, habe ihm im Krankenhaus die Hände aufgelegt, bin in einen Marienwallfahrtsort gefahren und habe Maria und alle Heiligen um ein Wunder angefleht. Ja, sogar einen Kuhhandel habe ich mit denen da oben versucht auszuhandeln, nach dem Motto, wenn ihr meinen Vater wieder gesund macht, dann werde ich…. Ich war verzweifelt: Es durfte doch nicht sein, dass ich als Heilerin meinem eigenen Vater nicht helfen konnte.

Zuerst sah es so aus, als würde sich die Situation stabilisieren, doch dann wurde sein Zustand schlimmer und die wachen Phasen immer weniger, er glitt immer weiter weg. Irgendwann war bei mir der Zeitpunkt gekommen, an dem ich nicht mehr wusste, was richtig war. Ich war einfach nur erschöpft. Wofür sollte ich noch beten? Dass er das Ganze irgendwie überlebt, mit vermutlich schwerwiegenden Folgen, oder dass er loslassen und friedlich sterben kann? Ich, die immer über alles die Kontrolle haben wollte, war plötzlich völlig hilflos. Ich wusste, dass ich nichts weiß. In einem Kirchenlied heißt es, „du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand“. Genau das tat ich. Ich ließ mich fallen, so tief wie noch nie zuvor, und dann habe ich sie gespürt, die Kraft, die mich auffing und tröstete. Und plötzlich waren die Worte in mir: „Dein Wille geschehe“. Ich erkannte, dass ich gar nichts wissen muss. Ich durfte mich einer höheren Macht anvertrauen, einer Intelligenz, die so viel mehr überblickt als ich und die genau weiß, was gut und richtig ist. Ab da habe ich meinem Vater nur noch absichtslose Heilbehandlungen geschenkt und gebetet: „Dein Wille geschehe“. Was für eine Last fiel damit von meinen Schultern! Ich spürte plötzlich, was auch immer jetzt passieren würde, es war das Richtige.

Seither weiß ich, welcher Segen in den Worten „dein Wille geschehe“ liegt. Wenn wir unser Ego loslassen, alles Wollen aufgeben und uns dem Größten anvertrauen, dann wird alles gut. Es geschieht dann automatisch das Beste – auch wenn es nicht unbedingt das ist, was wir für das Beste halten. Wir wissen meist nicht einmal etwas über unseren eigenen Seelenplan, wie sollten wir da entscheiden können, was für einen anderen Menschen das Richtige ist?

Ich wünsche uns allen mehr solcher Momente, in denen wir allen Widerstand aufgeben und uns tief in die Hände Gottes fallen lassen können. Meist brechen wir den Fall schon viel zu früh ab aus Angst, dass da doch nichts ist, was uns auffängt, und weil wir unserem begrenzten Intellekt mehr vertrauen als unserer lichtvollen Seelenheimat. Meist bedarf es eben erst größter Verzweiflung und Resignation, ehe wir die Worte „dein Wille geschehe“ aus tiefstem Herzen aussprechen können. Doch in diesem Moment der vollkommenen Hingabe passiert das Wunder.

Und was war mit all den Kerzen, den Gebeten, dem Handauflegen? Alles für die Katz’? Keineswegs! Heute weiß ich, dass sich bei meinem Vater gerade in den letzten leidvollen Tagen seines Lebens noch vieles heilsam ordnen und klären durfte – auch wenn er nicht mehr sprechen konnte und sein Bewusstsein stark eingetrübt war. Ich weiß es, weil es mein Herz mir sagt und weil ich in dem heiligen Moment seines Hinübergehens in seine sich plötzlich öffnenden, leuchtenden Augen schauen durfte. Er hat diese Welt ein großes Stück heiler verlassen, auch wenn sein Körper nicht wieder gesund geworden ist.

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